Wir Mitglieder im Regenbogenforum der christlichen LSBTIQ*-Gruppen in Deutschland e.V. unterstützen das geplante Gesetz für ein Selbstbestimmungsgesetz betreffs des Geschlechtseintrages für transidente, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen. Schikanen, Hindernisse und Demütigungen des derzeit noch bestehenden Transsexuellengesetz werden wegfallen.
Dabei erscheint es uns sinnvoll, dass das geplante Gesetz sich auf das Verwaltungshandeln des Staates gegenüber den Menschen beschränkt. Alle medizinischen Implikationen – Regelungen zu möglichen und nötigen Behandlungen wie Hormontherapien, Gabe von Pubertätsblockern sowie Operationen – werden in separaten Gesetzen und medizinisch-klinischen Leitlinien geregelt. Das Transsexuellengesetz hat diese Sachverhalte verfassungswidrig vermischt.
Uns erschließt sich die in §4 genannte dreimonatige Bedenkfrist nicht, bevor eine Änderung des Geschlechtseintrages rechtswirksam wird. Als Zugeständnisse an Kritikerinnen und Kritiker des Gesetzesvorhabens eignet sich diese Bedenkzeit keinesfalls. Bei Intergeschlechtlichen, bei denen klar zu diagnostizierende körperliche und hormonelle Bedingungen vorliegen, gibt es schlicht nichts zu bedenken. Für diese stellt der Paragraf eine Schlechterstellung ihrer bisherigen Situation dar. Auch transidente Menschen blicken in der Regel auf eine lange Zeit des Bewusstwerdens ihrer Identität zurück. Familiäre, therapeutische und medizinische Begleitung gehen dem Moment oft lange Zeit voraus, zu dem sie den Geschlechtseintrag offiziell ändern. Die Sorge vor einer signifikanten Zunahme von vorschnellen, leichtfertigen oder gar spontanen Entscheidungen erscheint uns als nicht begründet und in der gesellschaftlichen Debatte oft irrational übertrieben. Trotz der bürokratischen Vereinfachung eines solchen Schrittes hängen diesem viele Konsequenzen an, die einem leichtsinnigen Umgang damit im Wege stehen.
Wir erkennen an, dass es keine leicht zu entscheidende Frage ist, ab welchem Alter Kinder und Jugendliche mit Gewissheit Aussagen zu ihrer eigenen Identität machen. Ab wann hormonelle Behandlungen oder spezifische operative Maßnahmen angezeigt sind, wird auch mit dem Gesetz nicht pauschal zu sagen sein. Wann eine Behandlung zu beginnen ist, lässt sich für jede einzelne jugendliche Person nur individuell entscheiden. Sowohl eine zu frühe Hormontherapie als auch das Unterlassen einer rechtzeitigen medizinischen Behandlung kann später zu irreversiblen Problemen führen. Jedes medizinische Handeln oder Nicht-Handeln ist hier irreversibel. Das ist das Dilemma, welches auch das geplante Gesetz nicht aus der Welt schaffen kann.
Die Entscheidung darüber, ob Menschen sich auf den Weg einer Transition machen wollen und wie weit sie dieser Weg führen soll, obliegt diesen Menschen jeweils allein. Sie sollen sich sicher sein, von der Gesellschaft dabei getragen zu werden. Wir halten einen umfangreichen Ausbau von barrierefreien, kostenlosen, ortsnahen Beratungsangeboten für Kinder, Jugendliche – aber auch Erwachsene – in jedem Fall für angezeigt. Hierfür genügend Kapazitäten aufzubauen ist der Staat, ist unsere Gesellschaft aufgerufen.
Die gesellschaftliche Diskussion zum Referentenentwurf zeigt eine fast toxische Streitkultur. Die Diskussion innerhalb unseres Regenbogenforums haben wir deshalb auf einen intensiven Austausch der unterschiedlichen Interessen unserer Mitgliedgruppen angelegt. Daraus haben wir mitgenommen, dass die eigens für Frauen geschaffenen Schutzräumen sowie Förderstrukturen der Geleichstellungspolitik erhalten bleiben müssen.
Daneben beobachten wir mit Sorge gesellschaftliche Diskussionen rund um das geplante Gesetz. Der Grat zwischen dem Artikulieren berechtigter Sorgen und Interessen einerseits und einem Ausdruck von Transfeindlichkeit andererseits ist mitunter sehr schmal. Trans Menschen sind keine potenziell kriminelle Gesellschaftsgruppe, wie in den öffentlichen Diskussionen durchaus suggeriert wird. Aussagen, die die bloße Existenz realer Transidentität in Abrede stellen, sie als eine in den meisten Fällen nur fehlgeleitete Homosexualität oder als eine von Medien, Influencern und Lobbygruppen propagierte Modeerscheinung darstellen, sind existenzgefährdend. Dem Infragestellen der Legitimität und Machbarkeit einer geschlechtlichen Transition ist aus unserer Sicht entschieden zu widersprechen! Wir rufen die Politiker und Politikerinnen aller Parteien dazu auf, einem solchen transfeindlichen Klima entgegenzuwirken. Durch die Unterstützung von kompetenter Aufklärungsarbeit sollen sie das Verständnis für die Geschichten, Lebensbedingungen, Sorgen und Interessen unserer transidenten Geschwister stärken.
Als Vertreter*innen von christlichen LSBTIQ*Gruppen in Deutschland sind wir Teil der vielfältigen Schöpfung Gottes – transident, intergeschlechtlich, non-binär oder binär.
Genesis 1,27 ermöglicht, das Männlich- und Weiblich-Geschaffensein von Menschen so zu verstehen, dass diese Geschlechtsmerkmale auch im einzelnen Individuum in unterschiedlichen Anteilen vertreten sind. Weit bis ins fünfte Jahrhundert zurückreichende Ansätze jüdisch-christlicher Theologie gehen von der grundsätzlichen Androgynität des Urmenschen aus.
Trans* und Inter* sind gleichberechtigte Teile der Gesellschaft. Als Minderheit brauchen sie – wie andere auch – den Schutz ihrer Rechte, Unterstützung und Solidarität. Sie haben ein Recht auf Hilfe auf ihrem oft langen Weg zu einem Leben in selbstbestimmter Identität.